500 Jahre Thierach

 

„Die Thierach“, am Nordrand des Sonnefelder Hügellandes gelegen, unweit der „Einberger Schweiz“, kann auf eine 500jährige Geschichte zurückblicken. Im „Coburger Erbbuch“ von 1492 wird der Weiler erstmals als Tireich in Verbindung mit dem Rothof (heute Rothenhof) genannt. Der Name geht mit ziemlicher Sicherheit auf das mhd. „tier“ zurück, das vor allem damit Rehwild bezeichnete. Über Dyrich (1528) hat sich der Name bis zum heutigen Thierach (mundartlich „Dirich“) gewandelt.

 

Die Landschaft, in der Thierach liegt, hat sehr viel aus früherer Zeit bewahrt. Sie wurde schon sehr früh besiedelt und zu allen Zeiten suchten hier Menschen Zuflucht und Schutz, abseits der großen Heeres- und Handelsstraßen. So wurde im nahen „Sauloch“ ein Steinbeil aus der Jungsteinzeit gefunden – einer der ältesten Funde im Coburger Land – und wir wissen, dass in den Wäldern rings um, die Bauern im 30jährigen Krieg vor den räuberischen und mordenden Kriegshorden Zuflucht suchten.

 

Das Erbbuch von Coburg aus dem Jahre 1516 besagte, dass „der Rothenhof mit Thiereych Lehen des Stiftes Saalfeld und ganz im Besitz von Wittich Rapps Erben sind.“ Über 200 Jahre waren die Bauern auf der Thierach dem Rappen auf dem Rittergut Rothenhof verpflichtet, d. h. sie waren ihnen lehnbar als Söldner, Tropfhäusler (arme Töpfer) oder Halbhofbauern.

 

Der erste Thieracher, der in alten Urkunden auftaucht, ist der eines „Hofmanns des Rapp mit seinem Schäfer zu der Tyreich“, der sich unterstanden hatte, mit seinen Schafen in der Gemeindeflur zu Kipfendorf, die Lehnsgebiet des Klosters Mönchröden war, zu hüten und zu treiben. Der Streit wurde im Jahre 1518 geschlichtet.

 

Was die wenigen Einwohner der Dyrich, wie sie von da ab genannt wurde, während der nächsten 200 Jahre, hauptsächlich während des 30jährigen Krieges und danach erlebt und erlitten haben, können wir nur erahnen. Ebenso wie in Kipfendorf, hat auch in Thierach der Ton, der in der Grube auf der Thieracher Ebene gefunden wurde, für die Menschen eine wichtige Rolle gespielt. Seit dem Mittelalter wurde er von Töpfern aus der näheren und weiteren Umgebung zur Bereitung von Häfen, Blumentöpfen, Kacheln und auch Masken verwendet. Wir wissen aus Gerichtsakten von einem Streit wegen unerlaubten Tongrabens und Verkauf desselben an die Häfner aus dem Jahre 1803. Der Kipfendorfer Tongräber Peter Schlund zeigte an, dass durch die „Thieracher Hofbauern“ 2 Fuder Ton heimlich nach Neustadt gefahren worden seien. Die Hofbauern zu Thierach, Nicol Bauer und Egidius Heyn gaben an, dass sie von einem Verbot keine Kenntnis hatten. Das Ergebnis des Streits war, dass ihnen zukünftig bis zu 10 Taler Strafe angedroht wurden. Unter Aufsicht von Peter Schlund durften sie Ton graben und für jedes Fuder einige Groschen an die herzoglichen Finanzen abliefern. Eine weitere Auseinandersetzung um die Eröffnung einer neuen Tongrube am „Thieracher Hutrasen“ gab es 1856. Die Grube war in der Nacht nach der Eröffnung wieder eingeebnet worden. Daraufhin wurden beim ersten Graben 15 – 20 Arbeiter beschäftigt, damit „Exzesse der Thieracher gegen Personen nicht möglich sind“, heißt es in einer Anordnung der herzoglichen Justiz.

 

Diese Thieracher Tongrube spielte in unserem Jahrhundert wieder eine wichtige Rolle, als 1928 die Kipfendorfer Grube aufgegeben wurde und man glaubte, die Grube auf der Thierach könne nun den Bedarf des Annawerkes für weitere Jahrzehnte decken. So wurde 1930 die Grubenbahn, die bis zur Kipfendorfer Grube gebaut worden war, teilweise abgebaut und um den Kieferberg herum zur Thieracher Ebene geführt. 1959 wurde die Grube aufgegeben und die Schienen dieser Bahn wieder abgebaut.

 

1852 wurde ein neuer Weg zwischen Thierach und Kipfendorf gebaut. Beim Wegebau im „Mönchsschrot“ wurden in einer Urkunde der herzoglichen Verwaltung als Thieracher Bauern genannt: Schultheiß Rosenbauer, Jakob Welsch, Georg Büchner und Peter Hofmann. Von da ab kamen sich die beiden Orte scheinbar näher, und im Jahre 1868 strebte die herzogliche Verwaltung die Vereinigung der beiden Gemeinden Thierach und Kipfendorf an. Um das Gemeindevermögen der Thieracher gab es lange Auseinandersetzungen. Einen Antrag des Thieracher Schultheißen, „man nehme“, nahm man zurück, weil man schon Schulen und Kirche mit Kipfendorf gemeinsam habe. Die Thieracher meinten, es wäre ihnen am liebsten selbständig fortzubestehen.

 

Am 21.07.1869 verfügte das herzogliche Landratsamt: „Nach Art. 177 des Gemeindegesetzes vom 22.02.1867 sind die Gemeinden Thierach und Kipfendorf zu vereinigen. Im Vereinigungsvertrag sind in Thierach „26 Seelen“ – im Haus Nr. 1 der Schultheiß Rosenbauer, in Nr. 2 Jakob Welsch, in Nr. 3 Michael Herdan und in Nr. 4 Peter Hofmann. Kipfendorf hatte zu diesem Zeitpunkt „110 Seelen“ und 19 Häuser“. Die Thieracher Flur wurde mit 278 Acker, die von Kipfendorf mit 527 Acker angegeben.

 

Von nun an waren die beiden Dörfer über 100 Jahre lang unter einer Gemeindeverwaltung miteinander verbunden und viele Thieracher Bürger bestimmten das politische und gesellschaftliche Leben in den vereinigten Gemeinden mit. Alle Streitigkeiten waren damit noch nicht bereinigt. Es gab immer wieder einmal Auseinandersetzungen, meist um Geld, um gerechte Aufteilung der Anteile. Die meiste Ausdauer bewies man in einem Streit um die Anteile an einer neuen Pumpe für einen Brunnen auf der Thierach. 1870 wurde der Antrag für diese Pumpe erstmals gestellt, 1914 wurde diese endlich angeschafft zu einem Preis von 150 Mark. 50 Mark mussten die Thieracher als Anteil selbst bezahlen.

 

Seit 1971 ist Thierach nun Ortsteil und seit der Stadterhebung Stadtteil von Rödental. Es ist aus seinem „Dornröschenschlaf“ erwacht, als die neue Großgemeinde beschloss, einen großen Teil der Thieracher Flur zum „Ferienhausgebiet“ von Rödental zu machen. Seitdem wurde und wird viel gebaut auf der Thierach und die Einwohnerzahl nimmt ständig zu.

 

Trotzdem hoffen wir, dass sich der Ort ein bisschen seiner Ruhe und Idylle bewahrt in einer laut gewordenen Welt.

 

Zusammengestellt von Siegfried Zeltner. (1992)